Positionspapier

E-Voting Positionspapier

Bereits in den Jahren 2004/2005 fanden in ersten Kantonen Versuche mit der elektronischen Stimmabgabe bei Abstimmungen statt. Inzwischen wird in mehr als der Hälfte der Kantone der elektronische Stimmkanal angeboten. Das aktuelle Ziel von Bund und Kantonen ist es, im Rahmen des Schwerpunktplans von E-Government Schweiz die elektronische Stimmabgabe flächendeckend einzuführen. Was sind die Chancen und Gefahren dieser Entwicklung für die Schweiz? Die Jungfreisinnigen Basel-Stadt nehmen mit dem vorliegenden Positionspapier zur Einführung des Systems Stellung.

Was ist E-Voting?

Unter E-Voting wird verstanden, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über das Internet abstimmen und wählen können. Dadurch wird eine orts- und zeitunabhängige Stimmabgabe ermöglicht.

Gesetzliche Grundlage

Die Ausübung der politischen Rechte in eidgenössischen Angelegenheiten ist gem. Art. 39 BV durch den Bund geregelt. Für die Durchführung der eidgenössischen Urnengänge sind die Kantone zuständig. Diese erlassen dazu die erforderlichen Anordnungen. Demgemäss arbeiten Bund und Kantone im Bereich des E-Voting eng zusammen. Die eigentlichen Projektleiter sind die Kantone. Im Bundesgesetz über die politischen Rechte (BPR) wurde die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, dass der Bundesrat örtlich, zeitlich und sachlich begrenzte Versuche zur elektronischen Stimmabgabe zulassen kann. Die Umsetzung ist in der Verordnung über die politischen Rechte (VPR) festgelegt.

Ausgangslage

Seit 2004 haben insgesamt 14 Kantone in über 200 erfolgreichen Versuchen vorab den Auslandschweizer Stimmberechtigten die Möglichkeit zur elektronischen Stimmabgabe geboten. Unter anderem ermöglicht Basel neben GE und NE das E-Voting zudem einem Teil der Stimmberechtigen in der Schweiz. Das E-Voting soll künftig als gleichwertiger Kanal neben der Urne und der brieflichen Stimmabgabe etabliert werden. Die Einführung des E-Voting für die Kantone soll vorerst freiwillig bleiben. Der Quellcode soll offengelegt werden, damit die Systeme transparenter werden. Der Bundesrat hat weitere Schritte hin zur papierlosen Stimmabgabe (sog. Dematerialisierung) festgelegt. Der Prozess der Stimmabgabe soll dabei vollständig digitalisiert werden. Auf die Zustellung physischer Unterlagen an die Stimmberechtigten könnte demnach künftig ganz oder teilweise verzichtet werden.

Chancen

Elektronische Kommunikationsmittel erleichtern den Zugang zu Informationen und schaffen neue Kommunikations- und Handlungsmöglichkeiten. Dies bringt für die Demokratie Chancen auf verschiedenen Ebenen:

  • Politische Verfahren werden den neuen gesellschaftlichen Entwicklungen angepasst;
  • Die Teilnahme an Abstimmungen und Wahlen wird erleichtert;
  • die herkömmlichen Formen der Demokratie werden durch attraktive neue Formen ergänzt;
  • die Stimmbeteiligung kann möglicherweise gesteigert werden;
  • das demokratische Prinzip „eine Person – eine Stimme“ kann gegen klassische Missbräuche besser geschützt werden;
  • beim E-Voting lassen sich mit Zustimmung der Stimmberechtigten die Motive der Stimmabgabe leichter ergründen.

Gefahren

  • durch die möglichen Beschleunigungen der Abläufe können Meinungsbildungsprozesse beeinträchtigt werden;
  • es gibt Missbrauchsgefahren, gegen die Lösungen gefunden werden müssen. Dritte könnten die neuen Technologien missbrauchen und in das Abstimmungsgeschehen eingreifen. Der gegenwärtige Stand der Informatik lässt es beispielsweise zu, dass irgendjemand ein Programm entwickelt, welches eine bestimmte Anzeige auf dem Bildschirm erscheinen lässt, etwas Abweichendes speichert und wieder etwas Anderes ausdruckt. Allfällige technische Pannen und Fehlerquellen sind bei der elektronischen Stimmabgabe schwieriger zu eruieren als bei herkömmlichen Verfahren, und die öffentliche Kontrolle über Nachzählungen wird erschwert;
  • auch wenn heute viele der technischen Probleme bekannt sind, bedeutet dies noch nicht, dass diese auch gelöst werden können. Können grundlegende Zweifel der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger an der Zuverlässigkeit der elektronischen Ausübung der politischen Rechte nicht aus dem Weg geräumt werden, gefährdet dies das Funktionieren des demokratischen Systems.

Stellungnahme zur Einführung des E-Voting

Die technischen Herausforderungen und Gefahren, die sich im Zusammenhang mit dem E- Voting stellen, sind aus der Sicht der Jungfreisinnigen Basel-Stadt ein nicht zu beseitigendes Problem – zumindest zum heutigen Zeitpunkt. Gerade der private Computer gilt als Achillesferse des E-Voting, weil er ausserhalb behördlicher Kontrolle liegt und man davon ausgehen kann, dass die meisten Stimmberechtigten grundsätzlich nicht über die erforderlichen technischen Kenntnisse verfügen, um ihn angemessenen zu schützen. Ein weiteres Problem liegt im technischen Fortschritt. Wie das Beispiel Estland zeigt, dass als einzige „digitale Gesellschaft“ gilt, können Systeme, die bei der Einführung als sicher gegolten haben, schnell veralten. So gelang es 2013 IT-Sicherheitsexperten über eine Malware in deren E-Voting-System einzudringen und den Ausgang einer Wahl zu ändern, ohne dabei Spuren zu hinterlassen. Anzumerken ist allerdings, dass sie keine echte Wahl manipuliert haben, sondern die Manipulation unter „Labor-Bedingungen“ stattgefunden hat. Ein weiteres Beispiel sind die Wahlmaschinen, die bei den US-Wahlen eingesetzt wurden. Nach Alex Halderman, einem Experten für E-Voting Systeme, kann die Software dieser Maschinen durch Schadprogramme – auch wenn sie nicht mit dem Internet verbunden sind – einfach verändert werden. Das bedeutet, dass vor allem auch die Gefahr von Manipulationen der Systeme, die für die Verarbeitung der entsprechenden Daten zuständig ist besteht.

Eine weitere Schwachstelle ist der Übertragungskanal. Zwar gelten SSL Zertifikate als relativ sicher, allerdings hängt auch hier wieder die Sicherheit von der Benutzerplattform ab. Dem Umstand wird zwar dadurch Rechnung getragen, dass den Stimmberechtigten nach der Stimmabgabe ein Code angezeigt wird, der bestätigt, dass ihre Stimme in der elektronischen Urne abgelegt wurde. Allerdings wird dadurch nur eine Attacke erschwert und nicht verhindert. Neuere Cyberattacken wie der Angriff durch WannaCry demonstrierten zudem, dass auch eine grössere Anzahl an Rechner durch Lücken im System infiziert werden können. Nicht immer müssen die Angriffe aber so offensichtlich sein, wie im letzteren Beispiel. In der Vergangenheit wurden bereits grössere Bot-Netzwerke ausgeschalten, bei denen die Nutzer der infizierten Computer nie erfahren haben, dass ihr System für einen Angriff missbraucht wurde.

Auch drangen 2014 IT-Spezialisten, die der Russischen Föderation zugerechnet wurden, in Computer des Schweizer Rüstungskonzern RUAG ein und verschafften sich u.a. Daten über geheime Projekte des VBS.

All diese Vorfälle und Beispiele haben eine Gemeinsamkeit: Sie demonstrieren immer wieder aufs Neue, dass kein System sicher ist.

Den Jungfreisinnigen Basel-Stadt ist durchaus bewusst, dass auch das bestehende Wahl- und Abstimmungsverfahren Opfer von Manipulationen sein kann. Allerdings sind die Möglichkeiten einer nachträglichen Überprüfung um einiges zuverlässiger, als dies beim E-Voting der Fall wäre.

Aus Sicht der Jungfreisinnigen Basel-Stadt wäre es deshalb zum aktuellen Zeitpunkt verantwortungslos, ein entsprechendes System einzuführen. Sollten in Zukunft Systeme/Technologien vorhanden sein, welche die Sicherheit gewährleisten können, ist auch für uns klar, dass das E-Voting eingeführt werden sollte.

  • dass das E-Voting Programm vorerst sistiert wird;
  • dass die Entwicklung in anderen Ländern diesbezüglich weiter beobachtet wird, insbesondere in Bezug der Sicherheit derer Systeme;
  • das – falls es dennoch eingeführt wird – dies für die Kantone freiwillig bleiben wird;
  • dass in jedem Fall die briefliche Stimmabgabe und die persönliche Stimmabgabe an der Urne erhalten bleibt.